Barrierefreie Filme für alle: Untertitel und Audiodeskription für Menschen mit eingeschränkter Seh- und Hörfähigkeit

Gut 16 Mio. Menschen mit eingeschränkter Hör- und Sehfähigkeit in Deutschland brauchen Untertitel oder Audiodeskriptionen für ihren uneingeschränkten Filmgenuss. Tendenz steigend – denn zum einen werden wir immer älter und unsere Hör- und Sehfähigkeit nimmt automatisch ab. In ihrem »World Report on Hearing« wies die WHO (Weltgesundheitsorganisation) darauf hin, dass weltweit 1,6 Milliarden Menschen in ihrem Hören eingeschränkt sind – 430 Millionen von ihnen in schwerem Ausmaß. Laut WHO könnte diese Zahl bis zum Jahr 2050 auf rund 2,5 Milliarden steigen. Der Bundesverband der Hörsysteme-Industrie (BVHI) gibt an, dass in Deutschland zehn Millionen Menschen mit einer Schwerhörigkeit leben. Viele Menschen machen sich mit Kopfhörern die Flimmerhärchen in ihren Ohren kaputt. Die barrierefreie Filmfassung mit ihren beiden Hauptbestandteilen Untertitel und Audiodeskription ist die Grundvoraussetzung für uneingeschränkte Teilhabe und Inklusion. Sie kann erst erstellt werden, wenn der Film komplett fertig und abgeschlossen ist.

Untertitel sind nicht gleich Untertitel

Über das UT-Symbol oben rechts auf dem Fernsehbildschirm, über Teletext oder über die Fernbedienung können Menschen mit eingeschränkter Hörfähigkeit Untertitel einblenden, die ihnen den barrierefreien Zugang zur jeweiligen Sendung ermöglichen. Diese Untertitel unterscheiden sich grundlegend von denen, die wir kennen, wenn Filme in einer Fremdsprache untertitelt sind. Die Untertitel für Menschen mit eingeschränkter Hörfähigkeit enthalten zusätzliche Geräuschbeschreibungen. Denn wer nicht gut hören kann, versteht ja nicht nur nicht den Dialog und die dort mitschwingende Tonalität und Emotion. Er hört auch nicht, wenn eine Tür knarrt oder eine Explosion das Haus zum Einstürzen bringt.

Authentische Filmerlebnisse mit Untertiteln, die sich sehen lassen können

Wie also macht man die Nuancen eines Dialogs verständlich? Und wie beschreibt man eigentlich die Musik? Die Untertitel-Redakteur*innen von No Limits Media wissen genau, wie sie zum Beispiel atmosphärische Gänsehaut-Momente transportieren können. Ihre „Übersetzungen“ des filmischen Dialogs und die Beschreibungen der begleitenden Geräusche gewährleisten eine Lesegeschwindigkeit, die unsere Aufnahmefähigkeit nicht überfordert und Raum zum „Miterleben“ lässt. Wir alle sprechen miteinander. Und wir sprechen schnell. So schnell, dass niemand das mitlesen könnte, wenn es eins zu eins als Untertitel mitlaufen würde. Rund 220 Wörter pro Minute können wir Menschen aufnehmen, wenn sie gesprochen sind. Wenn wir mitlesen, reduziert sich das auf etwa 180 Wörter. Gute Untertitel sind idealerweise maximal zwei Zeilen lang und inhaltlich in sich abgeschlossen. Und für die Dauer der Einblendung gilt: Pro 15 Zeichen sollten sie mindestens eine Sekunde zu sehen sein. Das geht je nach Komplexität der einzelnen Szenen nicht immer, aber es sollte immer versucht werden.

Filme hören: Audiodeskription

Untertitel sind nur ein Teil der barrierefreien Filmfassung. Weiteres wesentliches Kernelement ist die Audiodeskription (AD). Das ist die „Hörfilmfassung“ für Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit. Damit sie den Film vollständig erleben können, werden gesprochene Bildbeschreibungen genau in die Lücken zwischen den Dialogen platziert. Und das ist ziemlich aufwendig. Unsere Autor*innen schauen sich zunächst den gesamten Film einmal an. Danach verfassen sie die Bildbeschreibungen, die geschulte Sprecher*innen und zunehmend auch synthetische Stimmen dann exakt in die entsprechenden Dialoglücken hineinsprechen. Doch wie sehen eigentlich die Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit? Wer sehen kann, kann sich das nicht immer so ganz einfach vorstellen. Daher arbeiten wir bei No Limits Media Hand in Hand mit blinden Autor*innen. Sie checken die erste Fassung und prüfen genau, ob sie alles verstehen oder nicht. Danach wird dann korrigiert. Bei der Produktion im Studio leiten dann Regisseur*innen, die auf die Audiodeskription spezialisiert sind, die Sprecher*innen an. Danach wird gemischt.

Die Kinoblindgängerin

Wer aus erster Hand mehr über Audiodeskriptionen wissen möchte, dem sei die Homepage der Kinoblindgängerin ans Herz gelegt. Das ist die sehbehinderte Barbara Fickert, mit der No Limits Media übrigens bei der Erstellung von Audiodeskriptionen zusammenarbeitet.

Greta & Starks

Mit der App von Greta & Starks können Menschen mit eingeschränkter Seh- und Hörfähigkeit Audiodeskriptionen und Untertitel ganz einfach im Kino mitlesen bzw. mithören. Im Fernsehen gibt es dafür eigene Kanäle, die über die Fernbedienung aufgerufen werden können.

Weil Inklusion ein Menschenrecht ist: Medienstaatsvertrag, der verpflichtet

Durch den 2020 in Kraft getretenen Medienstaatsvertrag sind nunmehr alle Medien dazu verpflichtet, den Menschen mit eingeschränkter Seh- und Hörfähigkeit ihre Programme barrierefrei anzubieten. Das gilt nicht nur für Filme. Das gilt auch für das gesamte Internet. Wer mehr als 20.000 Follower auf seinem Youtube Channel hat, muss seine Inhalte für alle zugänglich machen. Die Landesmedienanstalten achten zunehmend auf die Umsetzung. Und Betroffene und Verbände haben erstmals die Möglichkeit zu klagen.

Gefällt ihnen der Artikel?

Auf Facebook teilen
Auf Twitter teilen
Per Mail versenden
Stephan Kalesse

Stephan Kalesse

Skip to content